archivierte Ausgabe 1-3/2024 |
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Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Oppermann lebt nicht mehr |
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Heinrich Oppermann Klaus J. Loderer |
Die kleinen Geschichten aus Sektschi (Kaposszekcsö) bereicherten über viele Jahre die Heimatzeitung »Unsere Post« und das Jahrbuch »Unser Hauskalender«. Mal waren es Episoden aus der Geschichte des kleinen Orts in der Tolnau (Tolna). Oft ging es um die Familie des Autors. Und dann erzählte er in einer ganzen Reihe von Geschichten seinem Enkel Niklas über die Ungarndeutschen. Bereits vor einem Jahr ist Heinrich Oppermann verstorben.
Er gehörte zu den wenigen Ungarndeutschen, über die ein deutschsprachiger Wikipedia-Artikel existiert. Das rührt aus einer anderen Berühmtheit Heinrich Oppermanns, nämlich der als Chemiker. In seiner Forschungstätigkeit beschäftigte er sich mit den Kristallisationsbedingungen von Metalloxiden. In diesem Zusammenhang unternahm er einen spektakulären Versuch im Weltraum. Genauer gesagt erfolgte der Versuch 1978 beim Weltraumflug Sigmund Jähns, dem ersten Deutschen im Weltraum, der in der sowjetischen Weltraumstation Saljut 6 durchgeführt wurde. Mit dem Versuch wurde das Kristallwachstum unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit erforscht.
Die Technische Universität Dresden würdigte den Wissenschaftler mit einem Nachruf: »Heinrich Oppermann gehörte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den weltweit führenden Wissenschaftlern, die sich mit der Kristallzüchtung anorganischer Materialien über Gasphasentransporte beschäftigten. Diese als chemische Transportreaktion bezeichnete Methode beschreibt Reaktionen, bei denen feste, ansonsten nicht verdampfbare Stoffe in die Gasphase überführbar sind und anschließend kristallin abgeschieden werden können. Mit seinen Arbeiten hat Heinrich Oppermann insbesondere das Verständnis zu den Eigenschaften und Kristallisationsbedingungen von Metalloxiden geprägt.« Auch seine Rolle als Professor würdigte die Universität: »Heinrich Oppermann war ein engagierter Hochschullehrer, der eine große Zahl von Diplomanden und Doktoranden mit seiner wissenschaftlichen Expertise begleitete und sie mit großer Wertschätzung förderte. Unter seinen Schülern sind heute Wissenschaftler und Professoren, die das Forschungsgebiet für eine Vielfalt von Stoffklassen weiterentwickeln und anwenden.«
Auch Joachim Sauer von der Humboldt-Universität zu Berlin würdigte die Leistungen Oppermanns: »Heinrich Oppermann gehörte zu den Chemikern, die mit ihren Arbeiten ein solides Fundament für die erfolgreiche Arbeit nachfolgender Generationen schufen. Sein Buch über Vanadiumoxide wurde zu einer unverzichtbaren Referenz unseres Sonderforschungsbereiches in Berlin (1999–2001) zur Struktur und Reaktivität von Übergangsmetall-Aggregaten, in dem die Vanadiumoxide der gemeinsame Nenner aller Teilprojekte waren.«
Geboren wurde Heinrich Oppermann am 25. November 1934 in Sektschi (Kaposszekcsö). Dort besuchte er auch die Volksschule. Hinter der im Wikipedia-Artikel beschönigten »Umsiedlung« verbirgt sich die Vertreibung der Deutschen aus Ungarn. Die Familie musste Haus und Heimatort verlassen. Im Mai 1948 begann für ihn und seine Eltern, Großeltern und Geschwister in Dombovár mit dem Zug die lange Fahrt in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands. Er bestand aus 1.501 Personen, darunter 300 Kindern. In Viehwaggons waren 30 bis 40 Personen eingepfercht. Nach wenigen Tagen kam der Transport am 16. Mai in Pirna in Sachsen an. Das Lager in der sog. Grauen Kaserne war die erste Station, dann kam die Familie nach Bautzen.
In Bautzen besuchte er noch kurz die Schule und begann 1949 eine Ausbildung als Molkereifacharbeiter. Von 1952 bis 1955 erwarb er über den zweiten Bildungsweg an der Arbeiter- und Bauernfakultät der Universität Leipzig das Abitur und studierte dann an der Technischen Hochschule Dresden Chemie und Radiochemie mit Abschluss durch Diplom an der Fakultät für Kerntechnik 1960. Am Zentralinstitut für Festkörperphysik und Werkstoffforschung der Akademie der Wissenschaften der DDR in Dresden sowie dessen Vorgängerinstitution beschäftigte er sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Laborleiter und schließlich Abteilungsleiter mit chemischen Transportreaktionen zur Gewinnung von Verbindungen und Werkstoffen mit supraleitenden Eigenschaften. 1965 promovierte er mit der Dissertation »Gleichgewichtsuntersuchungen an Vanadinoxidchloriden und Vanadinchloriden«. 1972 erfolgte die Habilitation an der Akademie der Wissenschaften. 1980 wurde er zum außerordentlichen Professor an der Akademie der Wissenschaften ernannt. 1984 kam dann die Berufung auf den Lehrstuhl für anorganische Chemie der technischen Universität Dresden. Im Rahmen der Evaluierung der Hochschulprofessoren zur politischen Wende wurde Heinrich Oppermann in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Reputation bei etwa 40 Bewerbern, zumeist aus den alten Bundesländern, in seiner Funktion als Lehrstuhlinhaber bestätigt. Im Jahre 2000 wurde er emeritiert. Seine wissenschaftliche Produktivität bezeugen fast 300 Publikationen und Vorträge sowie 20 Patente. Unter seiner Leitung wurden über 50 Absolventen durch Diplom, Promotion oder Habilitation akademisch graduiert. In Würdigung seiner wissenschaftlichen Leistungen und für das stete Engagement um einen internationalen wissenschaftlichen Austausch wurde Heinrich Oppermann 1998 die Ehrendoktorwürde Instituts für Festkörperchemie und Mechanochemie der sibirischen Abteilung der russischen Akademie der Wissenschaften in Nowosibirsk verliehen.
Im Zentrum des Familienlebens stand seine Frau Feodora, die er 1954 heiratete. Mit seiner ihr hatte er vier Kinder. Jakob Justus schrieb in einer Würdigung zu Oppermanns 75. Geburtstag: »Aber auch Schicksalsschläge musste die Familie erfahren. Der älteste Sohn Uwe, geboren 1955 verstarb 2007 an einer Krebserkrankung. Er war Koch und verwöhnte die Familie oft mit Künsten der ungarischen Küche. Aus seiner Ehe gingen der Sohn Sven und Tochter Claudia hervor. Die Tochter Petra, geboren 1958, mit den Kindern Hendrik und Sandra ist ausgebildete Lehrerin und betreibt jetzt mit ihrem Ehemann eine Pension. Der Sohn Bodo, geboren 1960, mit Tochter Iris, ist in seinem Beruf als Diplomingenieur erfolgreich tätig. Die Tochter Heike, geboren 1962, mit den Söhnen Hagen, Holger und Niklas, ist Diplomsozialarbeiterin und betreibt ein Pflegeheim. Die Verbundenheit zur alten Heimat hat sich auf die gesamte Familie übertragen. Unzählige Urlaube wurden in Ungarn verbracht. Als besondere Überraschung zum 70. Geburtstag organisierten die Enkel eine gemeinsame Fahrt mit einem Kleinbus an die Städte der Kindheit ihres Großvaters.«
Nach der Emeritierung erforschte er seine Ahnen und arbeitete sich durch Heimat- und Kirchenbücher. Doch waren ihm die trockenen Ahnenlisten nicht genug. Er wollte es plastischer und beschrieb die Umstände. Es entstand eine historische Bestandsaufnahme. Er schrieb aber auch die Erinnerungen an seine Jugendzeit auf.
Am 21. Mai 2018 erhielt Heinrich Oppermann die Ehrenbürgerwürde der Stadt Sektschi. Die Ehrung erfolgte bei den Gedenkfeierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Vertreibung der Ungarndeutschen aus Sektschi. Heinrich Oppermann starb am 12. Januar 2023. Seine Asche wurde am 10. Februar auf dem Friedhof in Dresden-Weißig beigesetzt.
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