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Zum Feierabend

Eine Stadt, die meinen Namen trägt

Wie Theresia Auerbach nach Auerbach im Vogtland kam
Eine Stadt, die meinen Namen trägt
Familie Steinbach in Városlöd mit Elisabeth Auerbach geb. Steinbach. Vorn zwischen den Buben sitzt Theresia Auerbach.
Im Herzen von Transdanubien, zwischen Herend und Jánosháza, liegt das etwa 3 km lange Dorf Városlöd. Die ungarndeutschen Dorfbewohner waren römisch-katholisch. Ihre Kirche und die Schule standen im Zentrum des Dorfes, so dass der Weg zur Kirche und zur Schule bestmöglich gerecht verteilt war. In Városlöd wohnte Johann Auerbach mit seiner Frau Theresia geborene Biermann. Ihr Sohn Michael, geboren 1910, wurde von Beruf Herrenschneider und heiratete Elisabeth Steinbach, geboren 1914. Ihre Eltern waren Anton Steinbach und Katharina geborene Ullrich. Das Ehepaar Steinbach hatte noch die Tochter Katharina und den Sohn Franz. Die einzige Tochter von Michael und Elisabeth Auerbach, Theresia, wurde 1937 geboren. Das Glück der kleinen Familie endete im Spätsommer 1944, als Vater Michael zur Wehrmacht eingezogen wurde. Es sollte ein Abschied für immer sein. Das Leid von Mutter und Tochter fand seine Fortsetzung, als bei einem der beiden Luftangriffe auf Városlöd das Zuhause von Theresia und ihrer Mutter unbewohnbar wurde. Beide fanden Unterkunft bei den Großeltern und der Tante Katharina. Wie viele Kinder nach dem zweiten Weltkrieg wartete die kleine Tochter Theresia auf die Rückkehr ihres Vaters. Jeden Tag ging sie zu dem Haltepunkt (Megállo), in der Hoffnung, dass der aus Richtung Veszprém kommende Zug ihren Vater heimbringt. Vielen Heimkehrern hat sie in den vorbeifahrenden Zügen zugewunken und dachte immer wieder, er müsste doch endlich zurückkommen. So verging die Zeit mit vergeblichem Warten auf den geliebten Vater. Hunger brauchte daheim keiner leiden. Die Großmutter hat ihrer Enkelin gerne ein Rahmbrot zugesteckt, weil sie doch so dünn war. Im August 1947 musste Onkel Franz Steinbach mit seiner Ehefrau und seinen drei Söhnen als erster aus ihrer Familie die Heimat verlassen.

Über Pirna kam die Familie nach Auerbach im Vogtland. Bereits im Januar 1948 ereilte Theresia und ihre Mutter das gleiche Schicksal. Als der Zug an dem Haltepunkt in Városlöd vorbei fuhr, standen die Großeltern von Theresia unten an der Eisenbahnbrücke mit ihrem Mischlingshund Foxi und winkten unter Tränen. Die alten Leute wussten, dass sie ihre Tochter und ihre Enkelin nie mehr in die Arme nehmen können. Der Transport mit Városlöder und Kislöder in den Viehwaggons kam auch in die sowjetische Besatzungszone nach Pirna in Sachsen. Wie Bruder Franz in Auerbach von der Ankunft seiner Schwester mit Tochter Theresia in Pirna erfahren hat, ist nicht bekannt. Eines Tages stand er vor seiner Schwester und überbrachte die Nachricht, dass die Lagerleitung seiner Bitte entsprochen hat, die beiden Neuankömmlinge nach Auerbach im Vogtland einzuweisen. Sie waren froh, mit ihren Verwandten in der fremden Stadt wohnen zu dürfen. Es war ein unbeschreibliches Glücksgefühl, in einer kleinen Wohnung mit einem Bett von der Volkssolidarität, endlich richtig schlafen zu können. Theresia Auerbach war voller Stolz, jetzt in einer Stadt zu wohnen, die ihren Namen trägt.

Am ersten Schultag brach für das Mädchen eine Welt zusammen. Als der Lehrer sie nach ihrem Namen fragte und sie wahrheitsgemäß »Auerbach« antwortete. Der Lehrer wiederholte mehrmals die Frage, weil er die Antwort nicht glauben wollte. Entnervt sagt er: »Nun ist aber Schluss, ihr Ungarn seid zu blöd, ihr wisst nicht mal euren Namen! Schau, dass du raus kommst.« Weinend verließ Theresia die Schule und ging nach Hause. Mehrere Tage ging Theresia nicht zur Schule, bis ein Nachbarkind zu ihr sagte: »Komm in meine Klasse, wir haben eine sehr gute Lehrerin.« Sehr verständnisvoll nahm die Lehrerin die Neue in die Klasse auf, so dass Theresia mit Freude die Schule besuchte. Das Mädchen hat die Schule erfolgreich abgeschlossen und Auerbach wurde ihre neue Heimat. Die Mutter konnte den Verlust ihres Mannes und der alten Heimat mit den in der Ferne lebenden Eltern nicht verwinden. Sie starb mit 44 Jahren, ohne die alte Heimat noch einmal gesehen zu haben.

Theresia heiratete 1957 den aus Dunabogdány stammenden Josef Gassler. In ihrem Eigenheim in Auerbach konnten sie 2007 ihre Goldene Hochzeit feiern. Das Ehepaar Gassler gehört zu den drei Ehrepaaren, die an allen bisherigen 14 Herbstreisen aus dem Vogtland nach Ungarn teilgenommen haben. Sie gehören auch zur Trachtenträgergruppe Auerbach im Vogtland.

Martin Genczler
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