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Zum Feierabend

Wie der Mohn durch die Ungarndeutschen nach Hessen kam

Erinnerungen an Friedensdorf
Wie der Mohn durch die Ungarndeutschen nach Hessen kam
Früheres kleines Mohnanbaufeld einer ungarndeutschen Heimatvertriebenenfamilie um 1950 in Friedensdorf an der Lahn in Hessen am Abzweig von der Kreisstraße K 73 Richtung Damshausen zur Schutzhütte Am Roßberg (Foto November 2021
Foto: Alfred Hausburg
Bis zum Beginn der 1950er-Jahre kannten die meisten Friedensdorfer Kinder die Frucht der Mohnblume nicht. Es mussten erst die Heimatvertriebenen aus dem 1000 km entfernten Ungarn, dem Land der Magyaren, in ihr Dorf zwangsweise angesiedelt werden, um sie damit vertraut zu machen. Mohn kannten sie bislang als wild in und an den Getreidefeldern wachsend, die das Dorf damals groß und prächtig umgaben. Wenn der Wind in die Felder fuhr, und das hoch stehende Getreide wogte, glaubten sie die germanische Schutzgöttin Kornmuhme darin unterwegs zu sehen.

Oberhalb des südlichen Dorfrandes gab es eine kleine, etwa zwei Meter tiefe Hohl, die an Grundfläche vielleicht 50 qm umfasste. Die Natur, oder der Bau der Kreisstraße in den 1930iger Jahren, hatte sie am Dreieck zwischen Damshäuser Straße, dem Feldweg zum Rossberg, und dem heute asphaltierten Weg zur Friedensdorfer Schutzhütte geschaffen. Die Landwirte oder andere einheimische Familien nutzten die tief liegende Hohlfläche nicht, sie gehörte der Gemeinde.

Als der damalige Bürgermeister einer Heimatvertriebenen-Familie aus Bonyhád in Ungarn gestattete, diese kleine Parzelle landwirtschaftlich allein mit der Kraft ihrer Hände zu nutzen, bekam das kleine Stück Land eine neue, eine für uns Kinder interessante und schöne Bestimmung. Die ungarndeutsche Familie baute Mohn an. Hacke und Spaten hatten sie inzwischen erworben, sie waren ja mit Nichts nach Friedensdorf gekommen, arm, aber nicht hilflos, außerdem mit dem festen Willen beseelt, neu anzufangen. Wir Kinder beobachteten die fremde Familie bei ihrer Arbeit, wir waren neugierig. Im Herbst war aus dem kleinen roten Blumenmeer ein Meer von Mohnfrüchten geworden. Die Ungarndeutschen zeigten uns, dass man Mohn essen kann, wenn man die runde fast hühnereigroße Hülse oben kappt, und die feinen Körner in den Mund rieseln lässt. Ein neues Geschmackserlebnis eröffnete sich uns.

Noch neugieriger wurden wir, wenn wir erfuhren, was man mit diesen kleinen Körnern alles zubereiten kann. Füllungen für Knödel, Mohnstrudel, Mohnkuchen mit Rosinen, und vieles andere mehr. Das war eine kleine neue Welt, die uns faszinierte. Wir gingen oft zu dem kleinen Ackerfeld und naschten von dem Mohn, auch wenn die ungarndeutsche Familie nicht da war. Das war zwar nicht okay, wir taten es als Mundraub ab.

Mich hat seitdem die Mohnfrucht im Leben stets begleitet. Den Mohnkuchen mit Rosinen und Eierschecke obendrauf, wie er auch in Sachsen-Anhalt und Thüringen gebacken wird, oder den ungarndeutschen Mohnstrudel, bekommt man in hiesigen Bäckereien nicht angeboten. Man muss ihn bestellen. Immer wenn ich ihn esse, mache ich eine Zeitreise zu dem kleinen Acker oben am Rossberg in Friedensdorf.
Alfred Hausburg
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