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Kultur

Leben in Wemend (Véménd) am Ende des Ersten Weltkriegs

Ausstellung historischer Fotos aus dem Janus-Pannonius-Museum in Ulm
Leben in Wemend (Véménd) am Ende des Ersten Weltkriegs
Deutsche Brautjungfer
Ein bemerkenswerter Schatz historischer Fotos ist gerade im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm zu sehen. Mitten im Ersten Weltkrieg fotografierte der Lehrer Béla Hernai der kleinen Gemeinde Wemend (Véménd) die Bewohner seines Dorfs. Fast wie ein Profi gruppierte er die Personen. Allerdings entstanden die Bilder nicht im Atelier sondern in der lebensechten Umgebung der Menschen. Natürlich präsentierten sich die Mädchen und Frauen im Sonntagsstaat. Viele Soldaten sind darunter. Wir sind eben mitten im Krieg. Da wird in Uniform geheiratet oder voller Stolz das Kind präsentiert, das der Vater vielleicht erstmals im Urlaub von der Front zu Gesicht bekommt. Eine Besonderheit der Fotos ist aber auch, dass der Lehrer alle Gruppen des Dorfes fotografierte. Es sind nicht nur die deutschen und ungarischen Bauern und Handwerker, sondern eben auch die serbischen Einwohner, Juden und Zigeuner. In einem Hang zur Vollständigkeit hat Hernai auch russische Kriegsgefangene und serbische Besatzungssoldaten fotografiert. Eine Kuriosität ist sicher das Bild eines jüdischen Jungen, der in einer schwäbischen Mädchentracht steckt. Überhaupt sehen wir viele Kleidungsvarianten im Dorf. Da sind die schwäbischen Bauern: die Mädchen in ihrer prächtigen Tracht und die Burschen mit ihren Westen und Lederschlappen. Handwerker tragen eher städtische Anzüge. Man sieht bei einer Hochzeit die serbischen Trachten. Und man findet eine Sippe von Zigeunern, die sich um ihren »Fürsten« scharen.

Die wunderbar scharfen Abzüge lassen jedes Detail der Kleidung und des Hintergrunds erkennen. Die Mienen sind zumeist ernst. Mal strahlt den Betrachter ein Mädchen. Einem Soldaten ist dir Freude über sein Kind deutlich anzumerken. Ansonsten eher ernste Gesichter, was auch daran liegen mag, dass der strenge Herr Lehrer den Leuten deutlich gesagt haben wird, dass sie sich nicht bewegen dürfen.

Aber es ist eben nicht der normale Alltag, den man zu sehen bekommt. Immer wieder schleicht sich der Erste Weltkrieg herein. Man sieht die Soldaten in Uniform auf Heimaturlaub. Man sieht die Burschen, die von der Musterung kommen. Wer von ihnen fiel noch in den letzten Jahren des Kriegs? Oder man sieht zwischen zwei drallen schwäbischen Mädchen ein zartes Mädchen in städtischer Kleidung. Kinder aus Wien wurden in die Schwäbische Türkei geschickt, um sie aufzupäppeln, weil in Wien die Versorgung mit Nahrungsmitteln immer schlechter wurde. Man betrachte nur die dünnen Ärmchen des mageren Mädchens aus Wien zwischen den wohlgenährten Mädchen aus Wemend. Die Ahnung vom Hunger in den Großstädten kam glücklicherweise nur durch ausgehungerte Kinder in die ungarische Provinz. Es ist nach Ende des Kriegs aber auch die serbische Besatzung, die zum Alltag in Wemend gehört. Und wir sehen eben auch noch die serbischen Einwohner, die dann später nach Jugoslawien umsiedeln werden und so aus dem Dorfalltag in Wemend verschwinden werden. Es sollten innerhalb weniger Jahre weitere Bevölkerungsverschiebungen folgen. Was ist aus dem jüdischen Jungen geworden? Wurde er nach Auschwitz deportiert und dort ermordet? Nach dem Zweiten Weltkrieg traf es dann die deutschen Bewohner, die vertrieben wurden. Sollte die Dorfidylle bis dahin existiert haben. Die kritische Betrachtung der Fotos zeigt, dass diese schon im Ersten Weltkrieg vorüber war. [...]

Klaus J. Loderer
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