archivierte Ausgabe 2/2011 |
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Berichte aus Ungarn |
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Mediengesetz Umstrittenes Gesetz sorgt international für Aufregung Das umstrittene ungarische Mediengesetz sorgt immer noch für Aufregung. Nun wird die EU doch eingreifen. Die EU-Kommission hat Ungarn davon unterrichtet, dass das neue Gesetz dem EU-Recht widerspreche. Die für Medien zuständige Vizepräsidentin der Kommission, Neelie Kroes, kritisiert besonders drei Punkte: die Pflicht zur Ausgewogenheit der Berichterstattung, die Strafzahlungen für ausländische Medienanbieter und die Registrierungspflicht für alle Medien. Kroes setzte Ungarn eine Frist von zwei Wochen, um zu reagieren. Sonst werde ein Verfahren wegen Vertragsverletzung eingeleitet. Dieses könnte zu einer Verurteilung durch den europäischen Gerichtshof führen. In Ungarn nahm man dies erst einmal gelassen auf. Betont gelassen gab sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán anfänglich bei seinem Besuch im europäischen Parlament in Straßburg im Januar. Natürlich ging es in seiner Rede eigentlich um das geplante Arbeitsprogramm der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft. Die Protestaktion der Grünen, die die leeren Titelseiten ungarischer Zeitungen mit großen Balken mit der Aufschrift »zensiert« hochhielten und sich den Mund zuklebten, nahm Orbán humorvoll, er fühle sich wie daheim. Am Schluss seiner Rede ging Orbán dann doch auf das Mediengesetz ein und bot an, Anpassungen vorzunehmen, wenn die EU-Kommission im Gesetz nachweisliche Mängel finden würde. Der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion, Martin Schulz (SPD), kritisierte den nach seiner Meinung einseitig besetzten Medienrat: »In einer Demokratie kontrollieren die Medien die Macht und nicht die Macht die Medien.« In seinem Schlusswort warf Orbán den Kritikern des Mediengesetzes allerdings vor von falschen Voraussetzungen auszugehen. Von einer Einschränkung der Meinungsfreiheit sei gar nicht die Rede. Dies sei im Internet-Zeitalter auch gar nicht mehr möglich. Auf den Vorwurf, er führe Ungarn in die Diktatur, antwortete er scharf, er lasse es nicht zu, dass man das ungarische Volk beleidige. Er verwahrte sich dagegen, dass Fragen der ungarischen Innenpolitik mit dem EU-Vorsitz Ungarns vermischt werden. Orbán führte die Kritik am Gesetz darauf zurück, dass einige Gruppen verärgert darüber sei, dass er mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament regieren könne. Der grüne Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit warf Orbán daraufhin vor, dass die Wahrheit nicht immer auf der Seite der Mehrheit stehe. Nachdem Orbán nach ersten internationalen Protesten gegen das Mediengesetz noch jede Änderung ablehnte, signalisierte er nun eine gewisse Gesprächsbereitschaft gegenüber der EU-Kommission. Orbán verwies in seiner Rechtfertigung übrigens darauf, dass das neue ungarische Gesetz lediglich die Mediengesetze anderer Länder kopiere. »Es gibt keine einzige Passage, die sich nicht auch in Gesetzen anderer EU-Staaten finden lässt. Ich kann mir daher keine Situation vorstellen, bei der die EU sagt, dass diese oder jene Passage des ungarischen Gesetzes geändert werden sollte, während das deutsche, französische oder dänische Mediengesetz unverändert bleibt, obwohl es dieselbe Passage enthält«, so Orbán. In den Kommentaren der westeuropäischen Medien konnte in den letzten Wochen der Eindruck entstehen, Ungarn sei auf dem Weg in eine Diktatur. Viele Kommentatoren sahen die Presse- und die Meinungsfreiheit in Ungarn bedroht. Ulrich Krökel in den »Stuttgarter Nachrichten« vom 23. Dezember: »Das neue ungarische Mediengesetz entzieht der Pressefreiheit in dem EU-Land die Grundlage.« Man fragt gar, ob Ungarn noch ein demokratisches Land sei. Für Clemens Wergin von der »Welt« ist das Mediengesetz »eine Schande für einen demokratischen Staat und Zeichen dafür, dass Ungarns Politik 20 Jahre nach dem Fall der Mauer noch zu keinem moderaten Gleichgewicht gefunden hat.« Den gleichen Tenor hat auch Martin Winter in der »Süddeutschen Zeitung«: Das neue Mediengesetz, mit dem die Pressefreiheit im Land der Magyaren faktisch erlegt wird, verletzt den Kernbestand der europäischen Werteordnung.« Winter befürchtet eine drohende Vorbildwirkung, denn Orbán sei »nicht der einzige Staats- oder Regierungschef, dem die freie Presse ein Dorn im Auge ist.« Dem widersprach Klaus-Dieter Frankenberger in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« vom 19. Januar: »Nach dem Auftritt von Ministerpräsident Orbán im Europäischen Parlament ist es an der Zeit, verbal abzurüsten und die Debatte über das ungarische Mediengesetz zu versachlichen. Zu behaupten, Ungarn sei auf dem Weg in die Diktatur, ist Unsinn.« In Ungarn selbst war und ist die Reaktion auf das Mediengesetz gespalten. Die Fidesz-nahe Presse sieht keine Auswirkungen auf ihre Arbeit durch das neue Gesetz. Andere Blätter machten mit spektakulären Aktionen auf das Gesetz aufmerksam. Die Tageszeitung »Népszabadság« erschien mit einer Titelseite, auf der in mehreren Sprachen nur »In Ungarn wurde die Pressefreiheit aufgehoben« stand. Die kulturellen Wochenzeitschriften »Élet és Irodalom« (Literatur und Leben) und »Magyar Narancs« (Ungarische Orange) erschienen mit leeren Titelseiten.
kjl
Künstlerprotest Offener Brief von Ádám Fischer und András Schiff In einem offenen Brief haben der Dirigent Ádám Fischer und der Pianist András Schiff alle Künstler dazu aufgerufen, die Vorgänge in Ungarn zu verfolgen und die moralischen Grundwerte in Europa zu verteidigen. Ádám Fischer ist im Herbst aus Protest gegen die politische Einmischung in seine Arbeit von seinem Posten als Generalmusikdirektor der Ungarischen Staatsoper zurückgetreten. Ein Leserbrief des Pianisten András Schiff in der »Washington Post«, in dem er die Frage stellte, ob Ungarn geeignet sei, die EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen, sorgte in Ungarn für heftige Reaktionen. In der ungarischen Zeitung »Magyar Hírlap« reagierte der Publizist Zsolt Bayer mit ausfallender und stark antisemitischer Polemik gegen Schiff. Der Pianist erklärte daraufhin in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (16. Januar), dass er wohl nie wieder in Ungarn auftreten oder auch nur einreisen werde. Der volle Wortlaut des offenen Briefs ist auf der Homepage von Adam Fischer zu finden (http://haydnphil.org/en/fischer.htm). Er richtet sich übrigens nicht nur gegen Ungarn, sondern prangert auch den Vormarsch von Intoleranz, Ausgrenzung und Aggressionen gegen Minderheiten in Europa an. Man beobachte, »dass diese furchtbaren Ideen sogar innerhalb der Europäischen Union an Boden gewinnen und immer stärker werden. Wir müssen auch feststellen, dass Ungarn, das Land, das seit einigen Tagen die EU repräsentiert, leider auch in dieser Hinsicht zu den Vorreitern gehört. Das Alltagsleben Ungarns ist in erschreckendem Maße infiziert mit Rassismus gegen Roma, mit Homophopie und Antisemitismus. Gleichzeitig wird die Freiheit der Medien, der Kunst und der Kulturschaffenden, also die Freiheit derer, die am wirksamsten solchen Tendenzen entgegentreten könnten, immer stärker eingeschränkt.« Der Brief mahnt an, dass Ungarn während der EU-Präsidentschaft eine besondere Verantwortung habe, »überall in Europa, aber in erster Linie zu Hause, deutlicher und vor allem viel wirkungsvoller als bisher gegen Ausgrenzung aufzutreten und sich für die Bewahrung der moralischen Grundwerte Europas einzusetzen.« Neben András Schiff und Ádám Fischer unterzeichneten der Flötist András Adorján, der Filmregisseur Béla Tarr, die Philosophin Ágnes Heller, der Historiker Géza Komoróczy, der Architekt László Rajk und der Filmregisseur Miklós Jancsó den offenen Brief. Auch Daniel Barenboim unterstützt inzwischen den Aufruf.
kjl
EU-Ratspräsidentschaft Ungarn hat am 1. Januar den Vorsitz im Ministerrat der Europäischen Union von Belgien übernommen. Am 6. Januar erfolgte die feierliche Übergabe der Ratspräsidentschaft im Kuppelsaal des Parlaments in Budapest. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán übernahm dort von seinem belgischen Kollegen Yves Leteme symbolisch eine Europafahne. Ungarn will sich während seiner Ratspräsidentschaft unter anderem um die europäische Energiepolitik kümmern und die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien zur EU zum Abschluss bringen. Darüber hinaus will die ungarische Ratspräsidentschaft die Nachbarschaftspolitik nach Osten intensivieren und sich der europäischen Kulturpolitik widmen. Die ungarische Präsidentschaft arbeitet daran, den Europäischen Pakt für die Gleich-stellung der Geschlechter weiterzuent-wickeln. Der Dokumententwurf, der an der Strategie Europa 2020 ausgerichtet ist, wurde anlässlich der Sitzung der hochrangigen Fachgruppe in Budapest vorgestellt. Nach Ungarn wird am 1. Juli Polen die Ratspräsidentschaft übernehmen. Damit haben zwei osteuropäische EU-Mitgliedstaaten den Vorsitz nacheinander inne. Beide wollen eng zusammenarbeiten wie dies in dem so genannten »Dreiervorsitz« vorgesehen ist. Drittes Land ist Belgien als das bisherige Vorsitzland. Auch während des ungarischen Vorsitzes setzen die Staatssekretäre – die das spanisch-belgisch-ungarische Vorsitztrio vertreten – ihre ausgezeichnete Zusammenarbeit fort. Dies betonten Enikö Györi, Olivier Chastel und Diego Lopez Garrido auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz in Budapest. Die Zusammenarbeit der drei Länder ist in der Union bisher einzigartig. Hier einige kurze Informationen, um was es sich bei der Ratspräsidentschaft eigentlich handelt. Der EU-Ministerrat besteht aus den Fachministern der Mitgliedstaaten – beispielsweise für Landwirtschaft, Wirtschaft und Finanzen, Inneres und Justiz. Er ist neben dem Europäischen Parlament Gesetzgeber der Union. Der Vorsitz in diesem Gremium wechselt alle sechs Monate. Das bedeutet, dass im ersten Halbjahr 2011 ein ungarischer Minister beziehungsweise eine ungarische Ministerin den Vorsitz in den Ministerräten führt. Ausgenommen ist der Rat der Außenminister. Diesen leitet die Hohe Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton. Die alle sechs Monate wechselnde Ratspräsidentschaft der EU hat übrigens nichts mit dem »Europäischen Rat« zu tun. Dies ist der Name des Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs, das vier Mal im Jahr stattfindet.
kjl
Perspektiven Workshop des Donau-Instituts der Andrássy Universität Budapest – Als Auftakt zum kommenden EU-Vorsitz Ungarns fand am 6. Dezember in Budapest ein eintägiger Workshop zu »Perspektiven der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft« statt. Ziel der gemeinsam vom Interdisziplinären Donau-Institut an der deutschsprachigen Andrássy-Universität Budapest (AUB) und dem österreichischen Kulturforum Budapest organisierten Veranstaltung war es, mit den Erfahrungen vergangener Präsidentschaften und den kommenden Herausforderungen eine Verbindung zwischen europapolitscher Praxis und universitärer Aufbereitung herzustellen. Das Eröffnungsreferat hielt der Direktor der Diplomatischen Akademie Wien, Hans Winkler. Neben weiteren Beiträgen über bereits absolvierte Präsidentschaften (Österreich, Deutschland, Slowenien) wurden aktuelle Fragen diskutiert, darunter der Stand der polnischen Vorbereitung für den Vorsitz in der zweiten Jahreshälfte 2011, sowie die Koordination zwischen Präsidentschaft und den Brüsseler Institutionen.
Das Interesse vor allem seitens der Studenten der Andrássy-Universität unterstrich einmal mehr die Notwendigkeit der Verbindung zwischen akademischer Analyse und praxisbezogener Erfahrung.
Massenpanik Drei Tote in Budapester Disco Budapest – In der Nacht vom 15. auf den 16. Januar sind bei einer Massenpanik in einer Diskothek in Budapest drei junge Frauen getötet worden. Die Frauen seien zu Tode getrampelt worden, als tausende Menschen durch die engen Ausgänge des Lokals drängten, teilte die Budapester Polizei mit. Noch ist unklar, was die Panik ausgelöst hatte. Frühere Berichte, dass es eine Massenschlägerei gegeben habe, dementierte die Polizei. Es kursierte auch das Gerücht, die Frauen seien durch Messerstiche verletzt worden. Der Party-Club West-Balkan am Nyugati tér gegenüber dem Westbahnhofs ist ein beliebter Club. Auch an diesem Abend hatte sich dort eine große Zahl junger Menschen eingefunden, um sich in dem auf mehrere Etagen verteilten Lokal im ehemaligen Kaufhaus Skála zu amüsieren. Augenzeugen berichteten über einen enormen Andrang am Eingang und im Bereich der Garderobe. Die Polizei will prüfen, ob sich mehr Menschen als zulässig in der Disco aufhielten und ob es ausreichende Fluchtwege gab. Hunderte junge Disco-Besucher verbrachten die Nacht im Wartesaal des Westbahnhofs. Bei der Flucht aus dem Lokal mussten sie ihre Mäntel und Jacken an der Garderobe zurücklassen, in denen sich ihre Wohnungs- und Autoschlüssel befanden. Wie der ungarische Innenminister, Sandor Pinter auf einer Pressekonferenz am folgenden Tag bekannt gab, hat die ungarische Polizei fünf Betreiber der Diskothek festgenommen.
kjl
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