archivierte Ausgabe 1/2009 |
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Berichte aus Ungarn |
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Ungarische Krisenbewältigung Nach der Auffassung des Mitarbeiters der Deutsch-Ungarischen Handelskammer Dirk Wölfer hat die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise auch Ungarn erreicht. Das ungarische Bankensystem ist den direkten Risiken zwar nur in relativ geringem Maße ausgesetzt, die finanziellen und konjunkturellen Konsequenzen der Krise im Ausland werden aber Ungarn spürbar treffen. Die beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen der Regierung und das internationale Kreditpaket sind eine gute Basis, um das Vertrauen der Wirtschaftsteilnehmer wiederherzustellen und langfristig auf einen stabilen Wachstumspfad zurückkehren zu können. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass endlich die seit langem erforderlichen strukturellen Reformen in Angriff genommen werden. Ungarns Wirtschaft ist aus mehreren Gründen der aktuellern Krise der internationalen Finanzmärkte stärker ausgesetzt als andere Länder. Dies führte zu den jüngsten Verwerfungen bei der Refinanzierung ungarischer Staatsschulden und beim Wechselkurs des Forint und wird auch die Realwirtschaft betreffen. Viele Faktoren sprechen dennoch dafür, dass Ungarn grundlegend in der Lage ist, die aktuellen Schwierigkeiten zu bewältigen. Ungarns Staatsverschuldung betrug Ende 2007 65,8 % der BIP und liegt damit sogar unter dem Durchschnitt der Länder der Eurozone (66,6 %). Der ungarische Forint hat zwischen Mitte Juli und Ende Oktober zeitweise bis zu einem Sechstel seines Wertes eingebüßt. Die höheren Risiken und Anfälligkeiten ergeben sich aus dem relativ hohen Anteil von Auslandsverbindlichkeiten und der starken Ausrichtung der ungarischen Wirtschaft auf ausländische Märkte. Ungarns Volkswirtschaft ist extrem offen, auf den Weltmarkt ausgerichtet. So wurden 2007 54 % der ungarischen Industrieproduktion ins Ausland geliefert.
WH
In der Krise? Während die sozialistische Minderheitsregierung versucht die Lage realistisch, doch gleichzeitig auch in nicht zu düsteren Farben darzustellen, benannte die Gegenseite die Situation ganz anders. Zsigmond Járai, Finanzminister der Orbán-Regierung und später Notenbankchef, äußerte sich vor Auslandskorrespondenten: Die Rettungsaktion seitens der IWF und der EZB »sei eine Schande« für das Land, das nun in einer Gruppe mit Pakistan und der Ukraine erwähnt werde. Dies sei ein Vorgang, den ein EU-Land eigentlich nicht hätte erleben sollen. Seiner Meinung nach sind die Vorgänge, die Ungarn an den Rand einer Krise gebracht haben, eindeutig Folge einer falschen Politik der linksliberalern Regierungen, die »in sechs Jahren keine einzige richtige Wirtschaftsentscheidung fassten«. Nach Járais Meinung haben weder Regierung, aber noch weniger die Bevölkerung, den Ernst der Lage und deren Folgen ohne die Hilfe von außen wahrgenommen. Járai, der unlängst als einer der Gründer einer neuen großen Versicherungsgesellschaft in die Öffentlichkeit getreten war, versteht sich als unabhängiger Experte. Er warnte vor der nun folgenden Wirtschaftskrise. Diese werde viele Opfer in Ungarn fordern, dies umso mehr, weil die Regierung gar nicht daran denke, diese finanziell zu unterstützen. Das Programm von 800 Milliarden Forint sei für diese Aufgabe bei weitem nicht ausreichend. Anregungen, dass Ungarn eine beschleunigte Einführung des Euro versuchen sollte, hält Járai für völlig illusorisch.
WH
Rettungsring für Ungarn Für das größte öffentliche Aufsehen sorgte in Ungarn Ende Oktober der zwanzig Milliarden Euro schwere Kreditrahmen, den der Internationale Währungsfonds (IWF), die Europäische Union und die Weltbank Ungarn zur Verfügung stellten. Bei einer Pressekonferenz betonte Notenbankpräsident András Simor, dass dem Kreditrahmen eine große Rolle zukomme, um das internationale Vertrauen in den ungarischen Wirtschafts- und Finanzmarkt wiederherzustellen. Die Reaktionen auf den Kreditdeal fielen gemischt aus. Viele Experten waren der Meinung, dass die Vereinbarung ein deutliches Signal aussende: Der Kreditrahmen banne nicht nur die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit Ungarns, auch könnte durch ihn das Vertrauen ausländischer Investoren zurück gewonnen werden. In einem Interview mit der Zeitung Népszabadság machte sich der Bauunternehmer und reichste Mann Ungarns, Sándor Demján, ebenfalls für die Reformen stark, selbst um den Preis »schmerzhafter Konsequenzen«. Demján forderte alsbaldige Verwaltungs-, Renten-, Bildungs-, und Steuerreformen. Der milliardenschwere Geschäftsmann warnte aber auch, »auf Krediten kann kein Wohlfahrtsstaat errichtet werden«. Der stellvertretende Fidesz-Vorsitzende Zoltán Pokorni erklärte, dass der »von außen gewährte Kreditrahmen« dem Land zur Schande gereiche. Die ungarische Wirtschaft sei einst die potenteste Wirtschaft in Mitteleuropa gewesen, heute indes befinde sie sich in einer Risikogruppe mit der Ukraine und Weißrussland. Es ist mittlerweile deutlich zu sehen, dass die Wirtschaftskrise Ungarn im Kreis der EU-Staaten am meisten erschüttert hat, wofür Regierungschef Gyurcsány die Verantwortung trage, so Pokorní. Das Freiheitliche Österreichische Magazin »Die Aula« gab dem Artikel über Ungarn in der Oktobernummer den Titel: »Versteinerte Miene: Ist Ungarns roter Regierungschef Ferenc Gyurcsány nun mit seinem Latein am Ende! Turbulenzen in der Puszta«.
WH
Entlassungswelle Auch der ungarische Arbeitsmarkt ist von der internationalen Wirtschaftskrise betroffen. Der Einbruch bei den Bestellungen traf auch ungarische Firmen hart. Einige Firmen reagierten mit Entlassungen. Magyar Suzuki kündigte die Entlassung von 1179 Mitarbeitern an. Bisher waren dort 5523 Menschen beschäftigt. Am 8. Dezember reduzierte Suzuki in Gran (Esztergom) die Produktion auf zwei Schichten. Die Produktionskapazität wurde 2008 von 300.000 auf 282.000 Fahrzeuge gesenkt. 2009 sollen nur noch 210.000 Autos hergestellt werden. Der Autozulieferer Videoton Autóelektronika kündigte in Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) 400 Mitarbeitern. Die ungarische Tochter des taiwanesischen Unternehmens Foxconn entließ in den Standorten in Komárom und Debrecen insgesamt 1500 Mitarbeiter. Insgesamt sollen die Ungarn in Folge der Wirtschaftskrise im vergangenen Jahr ca. 11.000 Menschen entlassen worden sein. kjl Kreditnehmer in der Klemme Viele private Kreditnehmer sahen sich im Herbst vor große Probleme gestellt. Viele Kredite privater Haushalte laufen in Fremdwährungen, etwa in Schweizer Franken. Dies betrifft nicht wenige Haushalte, da etwa 62 % der Kredite in Fremdwährungen aufgenommen wurden. Das entspricht einem Volumen von 6,88 Billionen Forint. Der Wertverlust des Forint hat die Tilgungsraten bei vielen Krediten nun so in die Höhe schnellen lassen, dass sich Haushalte mit einer Verdoppelung der monatlichen Raten konfrontiert sahen. Da mehrere hunderttausend Kreditnehmer betroffen sind, hat die Regierung eine Rettungsaktion eingeleitet, an dem neun Bankenbeteiligt sind. Schuldner können dabei die Minderung der monatlichen Zahlungen und Verlängerung der Laufzeit beantragen. Außerdem soll eine Umwandlung von Fremdwährungskredite in Forint-Kredite möglich sein.
kjl
Staatshaushalt Budapest – Der ungarische Staatshaushalt für das neue Jahr wurde im Parlament von einer Mehrheit aus Sozialisten (MSZP) und Freien Demokraten (SZDSZ) verabschiedet. Die Regierungspartei MSZP wurde in diesem Fall vom ehemaligen Koalitionspartner SZDSZ unterstützt. 211 Abgeordnete stimmten für die Annahme des Haushalts, 169 Abgeordnete von Fidesz und MDF dagegen. Im neuen Haushalt wurden die Staatsausgaben drastisch gekürzt. So wurden die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst eingefroren und das 13. Monatsgehalt gestrichen. Bei den Rentnern soll die 13. Monatsrente höchstens 80000 Forint betragen. Insgesamt sind im Haushalt Ausgabe von 8,9 Billionen Forint vorgesehen, denen Einnahmen von 8,3 Milliarden Forint gegenüberstehen. Finanzminister János Veres machte in seiner Haushaltsrede Prognosen für das neue Jahr. So strebt er ein Haushaltsdefizit von 785 Milliarden Forint an, was 2,6 % des Bruttoinlandprodukts entspricht. Die Inflationsrate wird auf 4,5 % geschätzt.
kjl
Mercedes in Ungarn Ende Oktober unterschrieben Vertreter der Daimler AG und der ungarischen Regierung einen Vertrag über die Errichtung eines Mercedes-Benz-Werks in der ungarischen Stadt Kecskemét. Mercedes sei trotz globaler Wirtschaftskrise keinen Moment unsicher geworden, gab sich Premier Ferenc Gyurcsány nach der Vertragsunterzeichnung selbstbewusst, und fügte hinzu: »Ungarn hat die Mercedes-Investition wegen seiner Zuverlässigkeit erhalten«. Insgesamt wird Mercedes 800 Mio. Euro in das Projekt investieren. Der Bau des Werkes soll im Frühjahr 2009 beginnen. Laut Plan sollen in der Kecskeméter Produktionsstätte ab 1912 jährlich mehr 100.000 Fahrzeuge der A- und B-Klasse vom Fließband rollen. Das Werk wird insgesamt 2.500 Mitarbeiter beschäftigen. Die Errichtung der Mercedes-Benz-Fabrik in Kecskemét ist die größte ausländische Investition in Ungarn seit der politischen Wende 1989/90. Um den Zuschlag zu bekommen, hatte die Regierung dem Autoproduzenten die höchstmöglichen staatlichen Subventionen zugesagt. Laut Medienberichten handelt es sich hierbei um eine Summe von bis zu 40 Mrd. Ft (ca. 172 Mio. Euro).
WH
Jugendliche in Armut Jeder fünfte Jugendliche lebt in Armut. In Ungarn lebt jeder fünfte nicht verdienende Bürger unter 20 Jahren unterhalb der Armutsgrenze, stellte die Organisation Eurochild bei ihrer Jahreskonferenz in Budapest Ende Oktober fest. Damit liegt das Land genau in EU-Durchschnitt. In manchen Gebieten Europas sind es 30, in arbeitslosen Familien 60 % der Jugendlichen, informierte eine Mitarbeiterin der EU-Kommission. Ziel der Europäschen Union sei es, die Kinderarmut bis 2010 zu beseitigen.
WH
Autobahn Der Bau der Autobahn kommt in weiteren Teilen der Strecke ab Dunaujváros voran. Der Anschluss von Érd an die M0 ist im Oktober bereits geschehen. Im August haben die Bauarbeiten begonnen: für die Auftragnehmer ein Highspeed-Projekt, muss die Baufirma doch in 24 Monaten mit der Arbeit fertig sein. Das heißt 60 Brücken, acht Auf- und Abfahrten, vier Tankstellen, vier Raststellen und ein Betriebshof stehen dann den Verkehrsteilnehmern zur Verfügung. Vom Teilabschnitt Szekszárd-Pécs ist bereits mehr zu sehen, die Bauarbeiten sind hier schon seit Februar im Gange. Dieser Abschnitt enthält einen acht Kilometer langen Teilsabschnitt mit drei Tunneln. Der längste mit 1,3 km ist bereits zweimal eingestürzt, wobei auch ein Todesopfer unter den Bausarbeitern zu beklagen war. Die im Bau von Tunneln im steinigen Umfeld erfahrenen Planer haben wohl die Schwierigkeiten unterschätzt, die in diesem Gelände auftreten.
WH
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