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Mahnung und Weckruf für die Gegenwart

Gedenkstunde für Opfer von Flucht und Vertreibung in Berlin
Mahnung und Weckruf für die Gegenwart
Podiumsgespräch im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat mit dem ungarndeutschen Zeitzeugen Georg Richter (2. v. l.)
Foto: Marc-P. Halatsch
Bereits zum fünften Mal wurde in diesem Jahr am 20. Juni der bundesweite Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung begangen. Zu diesem kleinen Jubiläum hatte das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) erneut zu einer Gedenkstunde unter das Glasdach des Schlüterhofes im Deutschen Historischen Museum in Berlin eingeladen.

Erstmals standen dabei politische Reden weniger im Vordergrund als in den vergangenen Jahren. Es sprachen als Gastgeber Bundesinnenminister Horst Seehofer, der Bischof der Evangelischen Kirche Augsburger Bekenntnisses in Rumänien (EKR), Reinhart Guib, der höchste Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars bei den Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland, Dominik Bartsch, die Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, Prof. Dr. Aleida Assmann, sowie der Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), Dr. Bernd Fabritius.

Horst Seehofer stellte in seiner Begrüßung staatliche und gesamt-gesellschaftliche Verantwortung für das Erinnern in den Fokus. Zwar habe der ehemalige Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert einmal erklärt: »Wenn wir über Erinnerung im Allgemeinen und über Erinnerungskultur im Besonderen reden, dann sprechen wir direkt und indirekt immer auch über die staatliche Verantwortung.« Diese erstrecke sich laut Seehofer etwa darauf, einen würdigen Rahmen für das Gedenken zu ermöglichen. Ebenso wichtig sei jedoch die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für das Thema. Hier ständen die Erinnerungsträger von Flucht und Vertreibung – die deutschen Heimatvertriebenen – besonders im Mittelpunkt, und es sei wichtig, dass am Gedenktag schwerpunktmäßig ihres Leidensweges gedacht werde.

Auf die Leistungen der Vertriebenen blicke er voller Dankbarkeit, erklärte Seehofer, denn sie hätten sich ihrer Verantwortung gestellt: in ihrem Einsatz für den Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, ihrem Festhalten an den prägenden Erinnerungen sowie ihrer über die Jahrzehnte immer wieder gezeigten Verständigungsbereitschaft.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingszahlen des UNHCR, nach denen mehr als 70 Millionen Menschen weltweit von Flucht und Vertreibung betroffen sind, ergänzte der Bundesinnenminister, dass deren Heimatverlust nicht weniger schmerzlich und traumatisch sei. Die Erfahrung der Vergangenheit mache den Gedenktag zu einer Mahnung und einem Weckruf für die Gegenwart.

Bischof Guib überbrachte Grüße vom Deutschen Evangelischen Kirchentag, der in diesem Jahr unter dem Leitwort »Welch ein Vertrauen« steht. Guib erinnerte an den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren sowie an Flucht und Vertreibung, Deportation und Zwangsarbeit während und nach dem Krieg. Jeder Einzelne trage Verantwortung, »dass die Geschichte unserer Väter – und unsere Geschichte – nicht umsonst gewesen ist, ja, in die Zukunft hineinwirkt«. Wachsende nationalistische Tendenzen in Europa kritisierte der Bischof und machte deutlich, dass sich Bestrebungen zur Einigung Europas lohnten und dass dafür Vertrauen und Einsatz auch zukünftig notwendig seien.

Zugleich erwachse aus den Erfahrungen der Geschichte die Verpflichtung, heutigen Flüchtlingen in ihrem schweren Schicksal mit Menschlichkeit und Empathie zu begegnen und zu helfen. In einem eindringlichen Gebet am Schluss seines geistlichen Wortes erbat der Bischof gemeinsam mit den Anwesenden den Beistand und die Gnade Gottes sowie mehr Vertrauen und noch größeren Einsatzwillen für eine gemeinsame Zukunft.

Der Vertreter des UNHCR, Dominik Bartsch, stieg mit dem bedrückenden Zeitzeugenbericht eines kleinen Mädchens in seinen Redebeitrag ein. Dieses hatte seinen Vater im Krieg verloren und erlebte, wie Hab und Gut zurückgelassen werden mussten, wie ein Bruder auf der Flucht starb und wie der Leichnam notdürftig in fremder Erde verscharrt wurde.

Was wie ein Bericht aus heutiger Zeit wirkte, offenbarte Bartsch im Folgenden als Schilderung von Erlebnissen eines deutschen Flüchtlingsmädchens am Ende des Zweiten Weltkrieges und zeigte so die Schicksalsverwandtschaft zwischen damals und heute. Unzählige Deutsche hätten sich schuldig gemacht, »doch es war gewiss nicht das kleine Mädchen. Millionen Deutsche wurden nach dem Krieg vertrieben. Sie haben bitteres Unrecht erfahren. Wir sollten ihnen zuhören, solange wir es noch können. Und wir sollten Lehren aus ihrem Leiden ziehen, um es anderen zu ersparen – oder zumindest das Leiden zu lindern.«

Die Gründung des UNHCR sei unter dem unmittelbaren Eindruck des Zweiten Weltkrieges und der mehr als 60 Millionen damaligen Entwurzelten erfolgt. Aus einem Mandat, das nur auf drei Jahre angelegt war, wurden sieben Jahrzehnte Arbeit. Heute blicke man auf den traurigen Rekord von weltweit mehr als 70 Millionen Opfer von Flucht und Vertreibung. Der Gedenktag erinnere auch daran, dass auch Deutschland aufgrund der Allgemeinen Erklärung der Menschrechte, aufgrund internationaler Verpflichtungen und aus Gründen der Humanität verpflichtet sei, den heute Betroffenen zu helfen. »Welch ein unbeschreibliches Glück für Deutschland, dass keine Deutschen darunter sind. Möge das Andenken an die Vertriebenen unser moralisches Handeln leiten – heute und auch morgen«, mahnte Bartsch abschließend. [...]
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